Migration in den JobSo schafften zwei Geflüchtete den Start beim Anlagenbauer Körting

Als Jugendliche flüchteten Gowan Yousef Ali und Kheiri Yousuf Ali aus dem Nordirak nach Deutschland. Heute arbeiten die Brüder als Anlagenmechaniker beim Pumpenbauer Körting. Wie haben sie den Einstieg in den Job geschafft?
Heimat ist ein großes Wort. Die einen meinen damit die Region, aus der sie stammen. Für andere ist es der Ort, an dem sie glücklich sind. Für Kheiri Yousuf Ali und Gowan Yousef Ali hat Heimat viel mit dem Job zu tun: Die beiden Brüder sind aus dem Irak eingewandert und haben vor einiger Zeit bei der Körting Hannover GmbH eine berufliche Heimat gefunden. Sie arbeiten als Anlagenmechaniker, leben mit ihren Familien in der Region und haben kürzlich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. „Ich habe alles erreicht, was ich mir gewünscht habe“, sagt Gowan Yousef. „Ich will nicht mehr in mein Land zurück. Meine Heimat ist jetzt hier.“
Die Brüder stammen aus einem Kriegsgebiet
Als die Brüder aus dem Nordirak geflohen sind, war die Region ein Kriegsgebiet. Es herrschte die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Sicherheit und Perspektiven für junge Menschen gab es nicht.
Gowan Yousef kommt 2011 als 13-Jähriger nach Hannover. Er besucht die Integrierte Gesamtschule in Stöcken, macht 2015 seinen Abschluss. Weil er in Deutschland nur geduldet ist, gestaltet sich die Suche nach einem Ausbildungsplatz schwierig. „Damals waren die Gesetze noch anders. Arbeitgeber nahmen nur sehr ungern Bewerber ohne dauerhafte Aufenthaltserlaubnis“, erinnert er sich. Gowan jobbt zunächst in verschiedenen Bereichen. „Ich habe Pakete ausgeliefert, als Verkäufer gearbeitet, im Lager Regale bestückt. Hat mir alles nicht gefallen“, sagt er.
Die Karriere beginnt mit einem Praktikum

2015 kontrolliert der IS weite Teile des Iraks. Jetzt flieht auch Gowans wenige Monate älterer Bruder Kheiri aus dem Land. In Hannover angekommen, lernt er bei einem vierwöchigen Schulpraktikum die Firma Körting kennen. Es ist ein Match: „Ich wollte schon immer etwas Handwerkliches machen, am liebsten mit Metall“, sagt der heute 28-Jährige.
Das Traditionsunternehmen Körting wird von York und seinem Cousin Martin Fusch in fünfter Generation geführt. Der Betrieb fertigt unter anderem Pumpen, Kondensatoren und Vakuumanlagen. Kheiri ist von der Arbeit, den Kollegen und der Kultur sofort begeistert. Als es mit dem Ausbildungsplatz im ersten Anlauf nicht klappt, besucht er eine berufsbildende Schule und kommt jeden Mittwoch zum praktischen Teil vorbei. 2020 steigt er dann in die Ausbildung ein.
Sein Bruder Gowan ist zu dieser Zeit noch auf der Suche. Kheiri empfiehlt ihm seinen neuen Arbeitgeber und er schnuppert in einem Praktikum rein. 2022 startet auch Gowan in eine Ausbildung.
Heute arbeitet er bei Körting im Bereich der Apparatebau-Vorfertigung, in der kleinere Ejektoren und Druckbehälter gefertigt werden. Kheiri arbeitet an den größeren Ejektoren und Druckbehältern, baut diese zusammen und bereitet sie für die Schweißarbeiten vor. Er ist mittlerweile ausgelernt, Gowan schließt die Ausbildung voraussichtlich im Dezember ab. Für den 27-Jährigen ist klar, dass er danach bei Körting weitermachen will. „Die Chefs und die Kollegen sind super, die Arbeit macht Spaß und es gibt gutes Geld. Was sollte ich mehr wollen?“, sagt Gowan.
Zurück in den Irak wollen beide nicht mehr
Beschäftigte wie die Brüder prägen die deutsche Wirtschaft. Rund sieben Millionen Ausländer haben 2024 in Deutschland gearbeitet – beinahe jeder sechste Beschäftigte besaß keine deutsche Staatsangehörigkeit, wie eine neue Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt. Ausländische Beschäftigte tragen der Studie zufolge über 700 Milliarden Euro zur Wertschöpfung bei.
Was sich für die Wirtschaft rechnet, bedeutet für die Betroffenen ein komplett neues Leben. „Wir haben direkt nach unserer Ankunft mit Sprachkursen angefangen, den Schulabschluss gemacht und gearbeitet“, sagt Kheiri Yousuf. „Das ist alles gar nicht so schwer. Die Möglichkeiten sind da. Aber man muss auch wollen.“
Privat fühlen sich die Brüder inzwischen sehr wohl in Deutschland: Gowan lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern in Langenhagen. Kheiri wohnt mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die vor Kurzem ihr Studium im Bereich Soziale Arbeit abgeschlossen hat. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder vermisst er den Irak zwar manchmal noch – vor allem, weil die Mutter dort lebt. Doch zurück wollen sie beide nicht.
Text: Isabel Link
Fotos: Tim Schaarschmidt